Fallbeispiel 2

Herr B., Arzt und Abteilungsleiter in einer medizinischen Verwaltungsbehörde auf Landesebene, war wegen eines Burn-Out vor einem Jahr mehrere Monate nicht arbeitsfähig.

Er suchte Coaching, weil er seine alten Probleme nicht in den Griff bekam und auch Unterstützung im Umgang mit privaten Verpflichtungen suchte.

Herr B. war 45 Jahre alt, Vater von zwei Söhnen im Alter von 4 und 7 Jahren und seit knapp zwei Jahren geschieden.

Er hatte bis kurz vor seiner Scheidung als Anästhesist in einem Krankenhaus gearbeite

Herr B. fand beim Coaching den nötigen Raum, um sich über die gravierenden Veränderungen klarer zu werden, die sein Leben in den letzten Jahren fast auf den Kopf gestellt hatten und deren Auswirkungen er körperlich und seelisch nicht leicht verkraftete.

Zunächst war da der Verlust von Partnerschaft und Familie, die er bis kurz  vor seiner Trennung als intakt wähnte. Er vermisste sein häusliches Heim, das eigene Haus, und den -  wenn auch manchmal anstrengenden - aber doch lebendigen Alltag mit Frau und seinen beiden Kindern. Das alle 14 Tage stattfindende Kinderwochenende vermochte ihn über die unmerklich spürbare Entfremdung von seinen beiden Söhnen nicht hinweg zu trösten. Eigentlich hatte er über die neue Stelle in einer benachbarten Stadt gehofft, es werde leichter für ihn werden. Er hatte eine nette kleine Wohnung gefunden, aber so richtig gerne ging er noch nicht nach Hause. Die Einrichtung war daher auch bisher ein Provisorium geblieben. Einen neuen Freundeskreis hatte er sich bisher nicht aufgebaut. Abends blieb er daher oft lange im Büro oder erledigte vor dem Laptop zuhause noch berufliche Aufträge.

  • Herr B. erkannte, dass er mit einem sehr großen Arbeitspensum versucht hatte, über den Kummer  und den eigenen Mangel hinwegzukommen.
  • Er stellte fest, dass ihn eine hohe Leistungsbereitschaft schon immer prägte. Bereits als Schüler strebte er hervorragende Leistungen an – mit Erfolg. Nach dem Studium begann er die Tätigkeit als Arzt im Krankenhaus und war bekannt für seine Gründlichkeit und Zuverlässigkeit. Darauf war er stolz.

Seine Frau hatte begonnen, sich über mangelnde Aufmerksamkeit zu beklagen, doch er hatte es nicht so ernst genommen.

Das war ein großer Fehler gewesen, wie er heute feststellte.

  • Beim Coaching klärte Herr B. die Prioritäten für sein Leben neu und ordnete seine Tätigkeiten zu einem für ihn heute als sinnvoll und befriedigend wirkenden ganzen.
  • Herr B. begann seinen alltäglichen Einsatz genauer zu untersuchen:

Im Beruf: Wie viel Zeit verwendete er wofür? - für eigene Projekte und Vorbereitungen, für die MitarbeiterInnen und Kollegen, das eigentliche Klientel, eine Fortbildung zum Qualitätsmanager etc.
In seinem sonstigen Alltag: Haushalt, Einkauf Zeit für Telefonate oder Kontakte zu den Kindern und zu Freunden, Erholung?

Er stellte fest, dass er beruflich versuchte, die eigene Rolle durch Übernahme vieler Aufgaben zu finden und als „Arbeitstier“ geschätzt wurde, ihm aber nicht die gewünschte und notwendige Autorität als Abteilungsleiter zugesprochen wurde.

  • Dieser Ärger brauchte Raum und Aufmerksamkeit, um kreatives Veränderungspotential zu entwickeln.

Herr B. wurde gewahr, dass er zwar gelernt hatte, ein guter Arzt zu sein, doch nicht gleichzeitig auch, Menschen gut führen und leiten zu können.

  • Er analysierte das kollegiale System, das Team, im Hinblick auf die fachlichen und kommunikativen Kompetenzen seiner MitarbeiterInnen und entwickelte eigene Vorstellungen im Hinblick auf bestätigende oder verändernde Ziele, Aufgaben und Strukturen.
    Herr B.’s geschätzter Vorgänger hatte Teamarbeit nicht sinnvoll installiert, sondern einen freundlichen aber eher willkürlichen Führungsstil gepflegt.

Herr B. sah nun die Möglichkeit, durch ein stabiles Mitarbeiterteam eine identifizierende Beteiligung an Ideen und Projekten zu gewährleisten und damit sowohl Delegationsmöglichkeiten für sich selbst zu schaffen als auch motivierende und selbst kontrollierende Instrumente für die Mitarbeiter zu installieren.

  • Herr B. stellte mit Hilfe des Coachings theoretische und praktische Überlegungen an, wie er verlässliche Rahmenbedingungen für sein neues Team schaffen konnte, wann und wie er Themen und Anliegen einbringt, wie er mit Mitarbeiterkonflikten umgehen und in der aktiv gestaltenden Leitungsrolle bleiben kann und wie er für einen bewusst wertschätzenden Umgang sorgen kann.
  • Dabei halfen Übungen und kleine Rollenspiele, Befürchtungen in einer vorweggenommenen Realität zu überprüfen
  • Herr B. überprüfte sein Verhältnis zu seinem Vorgesetzten, stabilisierte  das Zutrauen in seine Fachlichkeit und erweiterte seinen eigenen Handlungsspielraum.

Die Frage: Bin ich diesem Job überhaupt gewachsen? stellte sich für Herrn B. nach ca. 1 ½ Jahren nicht mehr.

Er hatte Freude an seinem Beruf gefunden, seine Wohnung bewusster eingerichtet und konnte die Zeit mit den Kindern unbeschwerter genießen.
Er hatte zu mehr Freude und Zufriedenheit gefunden und neue vertraute Beziehungen geknüpft, dazu gehörte nicht zuletzt eine beginnende neue Partnerschaft.