Fallbeispiel 1

Frau X, Pflegedienstleiterin einer Senioreneinrichtung, kam in die Supervision, weil Sie Probleme mit dem Leiter des Hauses hatte, ihrem Vorgesetzten, und sich gegenüber Ihren Mitarbeiterinnen in den Wohnbereichen nicht durchsetzungsfähig und zusehends inkompetenter und unsicherer fühlte.

Sie litt seit einigen Monaten an Schlaflosigkeit und häufigem Unwohlsein und  war unglücklich darüber, dass sie begonnen hatte, gegen die täglichen starken  Kopfschmerzen und Migräneanfälle starke Medikamente zu nehmen. Die ärztliche Diagnose hatte keinen Befund erbracht.

Frau X. hatte sich nach achtjähriger Berufspraxis als Krankenschwester während und nach ihrer Elternzeit mit dem Studium der Pflegewissenschaften weitergebildet und dies mit dem Diplom abgeschlossen.

Dies war ihre erste Stelle in ihrem neuen Beruf, die sie seit ca. einem Jahr ausübte.

In der Supervision fand Frau X. den nötigen Raum, um

  • sich über ihre eigenen hohen Ansprüche klarer zu werden:
    Einerseits den Bedürfnissen Ihres Kindes, Ihrer Partnerschaft und den häuslichen Gegebenheiten gerecht zu werden und andererseits denen eines anspruchsvollen beruflichen Alltags, der auch Karrieresprung bedeutete.

Sie fand im Laufe der Zeit Spielräume zur Entlastung. Sie wurde ruhiger bei der Erkenntnis, dass sie trotz langjähriger Berufserfahrung in ihrem ersten Beruf Zeit und neue Erfahrung braucht für die Sicherheit in ihrer neuen leitenden Rolle.

  • über ihre Beziehung zum Vorgesetzten nachzudenken und seine Rolle, seine verschiedenen Erwartungen an Sie zu reflektieren. Sie setzte sich mit der Arbeitsweise und Wirkung ihres (von ihm geschätzten) Vorgängers bewusst auseinander.

Sie lernte, mit seinen Erwartungen offener, kommunikativer umzugehen und wurde lockerer beim Vergleich mit ihrem Vorgänger. Sie erkannte eigene Kompetenzen und experimentierte engagiert damit, sie bewusst einzusetzen.

  •  sich ein Bild von den eingespielten Regeln und Gepflogenheiten in den Mitarbeiterteams der  Wohnbereiche zu machen, die Frau X. unübersichtlich erschienen und ihr Angst machten. Sie fühlte sich ständig provoziert.

Die Klärung ihrer eigenen Rolle und Aufgaben sowie die  Betrachtung von Aufgaben, strukturellen Abläufen und Berufsrollen entsprechend Ausbildung und Dienstalter der anderen verschafften Frau X. Distanz und ordnenden Überblick. Sie erkannte nächst liegende Aufgaben sowie Möglichkeiten zur Delegation und schließlich der eigenen Entlastung.

Sie experimentierte mit Freude an neuen Varianten eines profilierten eigenen Auftretens und übernahm erfolgreich die Regie für einen wertschätzenden Umgang miteinander. Dies brachte ihr Souveränität und positive Distanz.

  • über erkannte Lücken nachzudenken: Frau X. stellt fest, dass die Selbstdarstellung des Hauses gegenüber Angehörigen, Interessenten und Besuchern in ihren Augen nicht kompetent wahrgenommen wurde, ein Anliegen, das ihr sehr am Herzen lag.

Sie brachte sich deutlicher ein und fand mit ihren Anregungen und Beiträgen Beachtung und Wohlwollen, sowohl bei der Leitung als auch bei ihren Mitarbeiterinnen und nicht zuletzt Angehörigen und Interessenten für das Haus.  So verbesserte sie ihre Position in der Einrichtung erheblich und erlangte insgesamt die von ihr gewünschte Arbeitzufriedenheit.